Seit einigen Jahren entsteht eine kleine Sammlung von Klostergedichten, die im Bezug zu Klosterorten und Klostererfahrungen entstehen, die auch erkunden, was die Klausur, das Unterbrechen des alltäglichen Lebens durch den Einbruch von Beschränkung, Reduktion und Verzicht hervorbringen.
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zwölfhundertdreiundachtzig
meter über normal null
teilt die madonna del parto
durch eine postkarte mit:
piero della francesca scheint
vom übergang gemalt zu haben,
vom ruhig beschlossenen,
vom ein- und ausgang der momente, die nur sich erwarten,
vom hoffnungsvollen das uns jetzt erfüllt – nie später.
hier wird uns von zwei engeln ein geheimnis offenbart,
das dort den vorhang, der das heilige verbergen sollte, schlicht zerriss.
(franziskanerkloster la verna, casentino, 2020)
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der heiße sommerwind trägt
aus dem still verlass´nen strohgeflecht,
dem nest im ausgehöhlten bauch
der toten taube, den stockend flirren atem,
das flackernd fackellicht der augen-
blicke ohne wiederkehr:
jetzt sterben, denn meine augen
haben heil gesehn,
die reine schöne gottheit hat
die zellen der novizen ausgefüllt
mit nackter zärtlichkeit
und ratlos fällt ihr blick
hinab in die ruine:
ein leeres
grab vergang´ner worte
der taube
körperloser geist bleibt über
ihnen eine illusion:
ein leben ohne
das heilige verleiht den toten
dingen ihr gewicht.
(ruine katharinenkloster, budapest und kloster san marco, florenz, 2019)
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der bleiernen bedachung bloß
verfällt das dach, stürzt turm und kreuzgerippe für die bauern ins geviert durch girolamos gier.
um eine leere esse lodert kalt und ruhelos
das leichte denken der entschlossenen vernunft
im harten ansturm der metallenen geräte –
sie tanzen wild, entflammen in sich selbst,
wie körper, die sich nackt genügen.
du, frei und offen, wirst betreten.
das paradies der himmel ist kein körperlicher ort.
er glüht
wie nichts.
(abbazia san galgano, 2019)